Mittelohrbarotrauma

Das Mittelohrbarotrauma ist eine sehr häufige Erkrankung, die beim Tauchen entstehen kann. Aber nicht nur bei Gerätetauchern sondern gerade Apnoetaucher oder Nichttaucher, die im Schwimmbad abtauchen, können eine Mittelohrschädigung erlangen.

Ursache ist immer ein nicht ausreichend durchgeführter Druckausgleich.

Entstehung

Barotrauma des Mittelohr beim Abtauchen

Während des Abtauchens kommt es zu einer Drucksteigerung im Mittelohr. Nach dem Gesetz von Boyle-Mariotte führt diese Drucksteigerung zu einer Volumenverkleinerung im Mittelohr. Das Trommelfell schließt das Mittelohr dicht nach außen ab, so dass der Druckausgleich nur über die Ohrtrompete erfolgen kann. Da sich die Ohrtrompete nicht passiv beim Abtauchen öffnet, muss der Druckausgleich aktiv eingeleitet werden. Hierfür gibt es verschiedene Methoden, die in der Anatomie des Mittelohres erklärt sind. Wird der Druckausgleich unterlassen oder ist der Druckausgleich nicht im ausreichenden Maße durchführbar (d.h. nichts anderes als dass zu schnell abgetaucht wird für die momentane Tubenfunktion) verkleinert sich das Volumen im Mittelohr. Da das Mittelohr eine starre Höhle ist, kann diese Verkleinerung des Volumens nur auf folgende Arten ausgeglichen werden:

  1. das Trommelfell wölbt sich nach innen
  2. es kommt zu einem „Ausschwitzen“ von Gewebeflüssigkeit um das Volumen der Pauke zu verkleinern
  3. es kommt zur Einblutung in die Pauke
  4. übersteigt die Trommelfelldehnung einen gewisses Maß, kann das Trommelfell einreißen: hierdurch kann Wasser ins Mittelohr strömen und so findet schlagartig ein Druckausgleich statt.
 

Mechanismus des Mittelohrbarotraumas.  Mit freundlicher Genehmigung von Prof. Timothy C. Hain, Northwestern University, Chigago, USA

 
Mittelohrbarotrauma

Das Bild zeigt die typische Einblutung in das Trommelfell nach einem Barotrauma des Mittelohrs. Die Blutung zieht sich entlang des Hammergriffs und von dort weiter nach 6 Uhr. Ursache waren Druckausgleichsprobleme während des Abstiegs.© Dr. med. Christoph Klingmann

Barotrauma des Mittelohr beim Auftauchen

Während des Aufstiegs sinkt der Umgebungsdruck relativ zum Druck im Mittelohr. Nach dem Gesetz von Boyle-Mariotte führt dies zu einer Volumenvergrößerung im Mittelohr. Ist die Ohrtrompete voll funktionsfähig, strömt die Luft passiv über die Ohrtrompete in den Nasenrachen. Ist jedoch die Ohrtrompete verlegt (siehe unter Tubenbelüftungsstörungen), dehnt sich die Luft im Mittelohr aus. Diese Volumenvermehrung kann ausgeglichen werden, durch:

  1. eine Vorwölbung des Trommelfells in den Gehörgang
  2. Öffnen der Ohrtrompete und Ausströmen der Luft über die Ohrtrompete

Ist der notwendige Öffnungsdruck der Ohrtrompete größer als die Stabilität des Trommelfells kommt es zu einem Einriss des Trommelfells. Es kommt auch hier nicht notwendigerweise zu einem Riß des Trommelfells, sondern das Trommelfell und die Pauke kann auch nur gereizt sein.

 

Mechanismus des Mittelohrbarotraumas.© Dr. Ch. Klingmann

Nasentropfen

Besonders gefährdet für ein Barotrauma des Mittelohrs beim Auftauchen sind Taucher, die vor dem Tauchen Nasentropfen verwendet haben. In der Regel liegt eine Tubenbelüftungsstörung vor, die zur Einnahme von Nasentropfen führt. Das Abtauchen gelingt dank der Nasentropfen problemlos, jedoch lässt die Wirkung von Nasentropfen nach einer Weile nach. Da die Luft beim Abtauchen passiv aus dem Ohr strömen muss, durch Nachlassen der Wirkung der Nasentropfen die Ohrtrompete jedoch verlegt ist, führt die resultierende Volumenausdehnung im Mittelohr zu einem Riss des Trommelfells. Aus diesem Grund dürfen keine Nasentropfen bis 12 Stunden vor dem Tauchen verwendet werden.

Symptome

Der Taucher bemerkt zunächst ein Druckgefühl im Bereich der Ohres. Gelingt der Druckausgleich nicht spürt man Schmerzen. Manchmal kann man ein „schmatzendes“ Geräusch im Ohr vernehmen, das durch die Flüssigkeit hinter dem Trommelfell verursacht wird. Werden diese Warnsymptome ignoriert kommt es zu einem Einriss des Trommelfells. Der betroffene Taucher bemerkt in der Regel eine deutliches Nachlassen der Schmerzen. Da nun Wasser in das Mittelohr einströmt, das in der Regel kälter als 37 Grad Celsius ist, kann es zu einem Drehschwindelgefühl kommen, da durch diesen kalorischen Reiz der horizontale Bogengang stimuliert wird (Teil des Gleichgewichtsorgans). Die Gefahr besteht darin, dass durch den Drehschwindel ein Orientierungsverlust eintreten kann, der zu einem panikartigen Aufstieg führen könnte. Atmet der Taucher bei einem solchen Panikaufstieg nicht aus, resultiert ein Barotrauma der Lunge, welches lebensgefährlich sein kann. Tritt Schwindel auf, lässt dieser in der Regel nach einer ca. Minute nach.

An der Oberfläche bemerkt der Taucher gegebenenfalls, dass bei Durchführung eines Druckausgleichs Luft aus dem Ohr zischt. Dies ist das Zeichen für einen Riss des Trommelfells. Weitere Symptome sind Schmerzen, manchmal Blutungen aus dem Gehörgang und Schwerhörigkeit mit möglichem Tinnitus (eine Ohrgeräusch). Nach einer Weile können pochende Schmerzen hinzutreten, wenn es durch eine Verunreinigung des Wassers, zu einer begleitenden Mittelohrentzündung kommt.

Symptome

  • Schmerzen
  • Drehschwindel
  • Luft aus dem Gehörgang beim Druckausgleich
  • Blutung aus dem Gehörgang
  • Schwerhörigkeit, ggf. Tinnitus
  • Im Intervall: pochende Schmerzen und Fieber (Infekt)
 

Diese Symptome müssen nicht gemeinsam auftreten. Manche Taucher geben nur einen kurzen Schmerz im Ohr an, obwohl ein Riss des Trommelfells vorliegt. Besonders gefährdet sind Anfänger, da sie mit der Technik so beschäftigt sind, dass sie häufig gar nicht oder zu spät die ersten Symptome spüren und zu spät den Druckausgleich durchführen.

Einteilung des Mittelohrbarotraumas

Nicht bei jedem Mittelohrbarotrauma liegt ein Loch im Trommelfell vor! Barotrauma bedeutet nur, dass es sich um eine druckbedingte Verletzung handelt. Es gibt v.a. im angloamerikanischen Raum verschiedene Einteilungen der Trommelfellbefunde, die sich jedoch im deutschen Raum nicht durchgesetzt haben. Es ist besser sich an die Beschreibung des Trommelfellbefundes zu halten, die auch bei anderen Erkrankungen im Mittelohrbereich gelten. Das Trommelfell und die Pauke kann unterschiedlich stark betroffen sein:

  • Rötung im Bereich des Hammergriffs
  • Einblutungen in das Trommelfell
  • seröse oder blutige Flüssigkeit in der Pauke
  • Trommelfellriss

Therapie

Zunächst besteht absolutes Tauchverbot. Man sollte sich auf jeden Fall von einem Arzt untersuchen lassen, vorzugsweise unter dem Mikroskop. Vor Ort sollte das Ohr ggf. steril abgedeckt werden. Bitte keine Ohrentropfen ins Ohr geben, da diese oft ototoxisch sind und bei einem Trommelfellriss das Innenohr schädigen können. Wenn Schmerzen entstehen, sollte man ein Schmerzmittel einnehmen, jedoch unbedingt auf Aspirin verzichten! Bei Vorliegen eines Ergusses sollten abschwellende Nasentropfen verabreicht werden, da das Sekret dann besser abfließen kann.

Ist das Ohr nicht infiziert kann abhängig von der Ausprägung des Befundes eine Trommelfellschienung durchgeführt werden. Hierbei wird eine in Antibiotikatropfen eingelegte Silikonfolie auf den Defekt aufgelegt, nachdem dieser angefrischt und ggf. ausgekrempelt wurde. Durch eine Tamponade des Gehörgangs wird das Trommelfell gestützt und der Defekt kann sich entlang der Folie verschließen. Bei sehr großen Defekten muss direkt eine Tympanoplastik (Trommelfellverschluß-OP) durchgeführt werden. Manchmal kommt es durch das einströmende Wasser zu einer Infektion des Mittelohrs, so dass Antibiotika verabreicht werden müssen.

Wie man lesen kann, ist eine sichere Beurteilung eines Mittelohrbarotraumas nur durch einen HNO-Arzt möglich, der falls es notwendig erscheint, eine Operation durchführen müsste. Man sollte immer bedenken, dass es wichtig ist einen Trommelfelldefekt so früh wie möglich zu schienen und sich nicht erst nach ein paar Tagen beim Arzt vorzustellen. Schließlich hängt die weitere Tauchtauglichkeit von der Funktion des Trommelfells ab.

Therapie

  • Tauchverbot
  • Ohr steril abdecken
  • ggf. Nasentropfen
  • ggf. Schmerzmittel
  • ggf. Antibiotika
  • HNO-ärztliche Kontrolle
  • ggf. Trommelfellschienung \ ggf. Trommelfell-OP
  • kein Wasser ins Ohr bringen
  • keine Ohrentropfen ins Ohr vor der HNO-ärztlichen Kontrolle

Tauchtauglichkeit

Wie lange ein Tauchverbot herrscht, ist pauschal sehr schwierig zu beantworten. Man kann sagen, dass bei einer leichtgradigen Rötung des Trommelfells das Tauchen direkt wieder möglich ist. Bei einer Blutung ins Mittelohr sollte min. 1-2 Wochen mit dem Tauchen gewartet werden. Ein Trommelfellriss sollte nach spontanen oder operativen Verschluss mindestens 6 Wochen nicht belastet werden. Ich empfehle hier wieder die Vorstellung bei einem HNO-Arzt, am besten einem mit tauchmedizinischer Ausbildung.

Es taucht immer wieder die Frage auf, was man im Urlaub machen soll, wenn es am Anfang eines Urlaubs zu Problemen kommt. Man möchte schließlich nicht auf die schönen Tauchgänge des teuren Urlaubs verzichten. Diese Frage muss jeder für sich selbst beantworten. Jedoch muss man daran denken, dass es möglich ist eine bleibende Trommelfellschädigung davon zu tragen, und die Tauchkarriere hierdurch beendet werden kann.