Nasennebenhöhlenentzündungen (Sinusitis)

Nasennebenhöhlenerkrankungen zählen nach den Erkrankungen der Ohren zu den häufigsten Beschwerden bei Tauchern.

Einleitung

Die Nasennebenhöhlen sind starrwandige, von Schleimhaut ausgekleidete Hohlräume. Sie stehen mit der Nasenhöhle und dem Nasenrachenraum in Verbindung. Entsprechend dem Gesetz von Boyle-Mariotte müssen Druckschwankungen beim Ab- und Auftauchen durch passiven Druckausgleich kompensiert werden, um barotraumatische Schäden zu vermeiden. Ein funktionstüchtiges und gut belüftetes Nasennebenhöhlensystem ist Grundvoraussetzung zur Ausübung des Tauchsportes.

Unbehandelte, chronische Nasennebenhöhlenerkrankungen schließen bei Anfängern die Tauchtauglichkeit aus, bis die Belüftung der Nasennebenhöhlen sichergestellt ist. Probleme können sich allerdings auch im Laufe der Ausübung des Tauchsportes durch außergewöhnliche Belastungen wie Kaltwasserreiz und häufige rasche Druckänderungen über Jahre hinweg entwickeln. Chronische Erkrankungen müssen nicht zwangsläufig für immer ein „AUS“ für den Tauchsport bedeuten. Ziel jeder Behandlung bei Tauchern ist nicht nur die Beschwerdefreiheit der Betroffenen. Bei entsprechender Abklärung und Behandlung kann in der Mehrzahl der Fälle der Taucher wieder zurück unter Wasser und den Tauchsport auch weiterhin ausüben.

Auf dieser Auswertung der Heidelberger Tauchersprechstunde, in der 200 Taucher berücksichtigt wurden (Stand 2004), erkennt man, dass Erkrankungen der Nase und der Nasennebenhöhlen fast jeden 6. Taucher betrafen.

Physiologie

Die von Schleimhaut ausgekleidete Nasenhöhle reinigt, erwärmt und befeuchtet die Atemluft und dient der Geruchswahrnehmung.

Die angeschlossenen Nasennebenhöhlen (Stirnhöhlen, Kieferhöhlen, Siebbeinzellen, Keilbeinhöhlen) sind starrwandige, knöchern begrenzte, lufthältige Hohlräume. Über äußerst enge Öffnungen oder Spaltensysteme stehen sie mit der Nasenhaupthöhle in Verbindung. Der Durchmesser der Kieferhöhlenöffnung z.B. beträgt in Abhängigkeit von der Kopfposition nur bis zu maximal 4 mm².

Eine funktionstüchtige Verbindung zur Nasenhaupthöhle ist eine obligate Voraussetzung um Druckschwankungen zu kompensieren und den Sekretabtransport aus den Nasennebenhöhlen ungestört ablaufen zu lassen. Die Nasennebenhöhlen (NNH) sind mit Schleimhaut ausgekleidet, welche von einem zarten, glasklaren Sekretfilm bedeckt ist. Mit Flimmerhaaren besetzte Zellen der Schleimhaut transportieren die Sekretschicht. In dieser bleiben Staubpartikel, Bakterien etc. haften. Diese Schadstoffe werden mit einer Geschwindigkeit von rund 6 - 20 mm/Minute Richtung Rachenraum abtransportiert und auf diese weise „entsorgt“. Die Flimmerhaare der Schleimhautzellen weisen eine Länge von ca. 3-8mm auf. Die Sekretschicht enthält Antikörper und Abwehrzellen zur Bekämpfung von Bakterien, Luftschadstoffen und Viren. Diesem Abwehrsystem kommt eine wesentliche Schutzfunktion in den oberen Atemwegen zu.

Pathophysiologie

Das Siebbeinzellsystem ist der Mündung von Stirn- und Kieferhöhle in die Nasenhaupthöhle vorgeschaltet. Dies bedeutet, dass von dessen Zustand bzw. Erkrankung die Stirn- und Kieferhöhlen abhängig sind und das Siebbeinzellsystem eine Schlüsselrolle für Erkrankungen der NNH darstellt. Wenn auch Symptome und Erkrankungen im Bereich von Stirn- und Kieferhöhle oftmals dominieren, so liegen die Ursachen meist im Siebbeinzellsystem.

Bei Betrachtung der anatomischen Voraussetzungen im NNH-System ist offensichtlich, daß jede Blockade einer NNH-Mündung unweigerlich zu einer Belüftungsstörung, Sekretretention, Infektion der Schleimhaut und letztendlich zum Barotrauma führt. Ursachen dafür sind entzündliche Schleimhautschwellungen, Nasenpolypen, angeborene knöcherne Einengungen sowie Nasenscheidewandverkrümmungen.

Insbesondere bei Tauchern ist die Nasennebenhöhlenschleimhaut außergewöhnlichen Strapazen ausgesetzt: Unterkühlungen, ständige oftmals rasche Druckwechsel bei Tiefenänderungen (Apnoetauchen, Jojo Tauchgänge), Schleimhautschwellungen infolge Reizungen durch Chlor in Hallenbädern sowie infiziertes Badewasser sind eine schwere Belastung. Austrocknung, bedingt durch Zentralheizung, exogene Schadstoffe, wie Zigarettenrauch, Schwefeldioxid und Stickoxide durch Hausbrand und Verbrennungsmotoren belasten die Schleimhaut ebenso massiv. Sie führen durch Schwellungen zu Blockaden der Siebbeinzellen, Stirn- und Kieferhöhle, wodurch der passive Druckausgleich - im Gegensatz zum aktiven Druckausgang beim Mittelohr - nicht mehr stattfindet und auch aktiv nicht erzielt werden kann. Die Folgen sind ein Barotrauma beim Ab- oder noch unangenehmer beim Auftauchen: Schmerzen, Schleimhautschwellungen (Entzündungen), Schleimhautblutungen bis hin zum Ablösen der Schleimhaut mit nachfolgender bakterieller Infektion. Aufgrund der anatomischen Gegebenheiten sind in erster Linie das Siebbeinzellsystem und die Stirn- und Kieferhöhle betroffen, seltener die Keilbeinhöhle.

Definition

NNH-Entzündungen werden auch als Sinusitis bezeichnet.

Akute Entzündungen bessern sich auf medikamentöse Behandlungen meist innerhalb von 10 Tagen bis maximal 12 Wochen.

Als chronisch werden Erkrankungen bezeichnet welche länger als 12 Wochen dauern oder 4-mal akut pro Jahr auftreten. Sie weisen auf medikamentöse Behandlungen meist keine bleibende Besserung auf und erfordern einen operativen Eingriff.

Diagnostik

Oftmals geben bereits die Vorgeschichte und Symptome des betroffenen Tauchers die entscheidenden Hinweise: Kopfschmerzen, insbesondere zwischen den Augen und im Bereich der Nasenwurzel sowie im Stirn und Wangenbereich. Die Schmerzen werden diffus im Gesichtsbereich verteilt oder auch lokalisiert und stechend angegeben. Sie treten beim Ab- oder Auftauchen auf. In fortgeschrittenen Stadien auch unabhängig vom Tauchen. Weiterhin weisen Nasenbluten nach dem Tauchen, immer wiederkehrende akute Entzündungen der NNH, Sekretfluss in den Rachen, chronische Ohrprobleme, Rachenentzündungen, Husten, Räusperzwang und Bronchitis auf eine NNH-Erkrankung hin.

Vor allem die oft schmerzlose Blutung in die Maske zeigt auf, dass der Taucher an einer chronischen Nasennebenhöhlenentzündung leidet. Durch die Schleimhautschwellung kommt es zu einer Verlegung der Nasennebenhöhleneingänge, so dass beim Abtauchen keine Luft nachströmen kann und der entstehende Unterdruck zu einer Einblutung in der Nasennebenhöhle führt. Da hierdurch das Volumen in der Nasennebenhöhle verkleinert wird, findet durch die Volumenverkleinerung ein Druckausgleich statt, der erklärt, warum die betroffenen Taucher häufig ein Nachlassen des Schmerzes während des Tauchens bemerken. Beim Auftauchen jedoch, dehnt sich die Luft in der Nasennebenhöhle aus und das Schleim-Blutgemisch wird aus der Nasennebenhöhle ausgetrieben und führt zu einer Blutung in die Tauchmaske. Interessanterweise werden kleine Mengen Blut bei jedem dritten Taucher in der Maske nachgewiesen.

Eine endoskopische Untersuchung der Nasenhöhle gibt weitere Hinweise auf Details, die dem unbewaffneten Auge entgehen. In Ergänzung zur endoskopischen Untersuchung ist meist eine computertomographische Untersuchung erforderlich. Hierbei wird in 4 - 5 mm Schichten das gesamte Nasennebenhöhlensystem ohne Überlagerung radiologisch dargestellt. So können knöcherne Veränderungen, Sekretspiegel und Schleimhauterkrankungen, welche in der üblichen Röntgenstandardaufnahmetechnik nicht sichtbar sind, nachgewiesen werden.

Mit der endoskopischen Optik kann man einen Polypen erkennen (in der Bildmitte der gelbe glasige Polyp). Auf der Computertomographie erkennt man die chronische Sinusitis. Die Kieferhöhle auf der rechten Bildseite ist zu mehr als 50% mit Schleimhaut ausgefüllt . Auch die linke Seite ist der Boden verlegt, das Siebbein ist ebenfalls betroffen.

Konservative Behandlung

Berichtet ein Patient über die typischen Symptome einer chronischen Nasennebenhöhlenentzündung und zeigt die HNO- und Röntgenuntersuchung das Bild einer chronischen Sinusitis gibt es verschiedene Wege dem betroffenen Taucher zu behandeln. Insbesondere wenn sich noch nicht das Vollbild der chronischen Nasennebenhöhlenentzündung zeigt, kann häufig ein konservativer Behandlungsversuch zu einer Beseitigung der Beschwerden führen. Von über 300 Tauchern, die in der Heidelberger Tauchersprechstunde behandelt wurden, gab ca. jeder 6. Taucher Beschwerden im Bereich der Nase und der Nasennebenhöhlen an. Von diesen Patienten musste aber nur jeder vierte Taucher operiert werden.

Als konservative Maßnahmen bieten sich Inhalationen und regelmäßige Nasenspülungen mit Kochsalzlösung an. Der betroffene Taucher sollte mindestens drei Liter am Tag trinken, um die Schleimhaut feucht zu halten und hierdurch zu pflegen. Bei bakteriellen Begleitinfektionen (eitrige Sekretion) sollten Antibiotika über mindestens 10-14 Tage verabreicht werden. Die Behandlung wird durch die Gabe eines örtlich wirkenden Kortisonpräparats ergänzt. An dieser Stelle soll erneut darauf hingewiesen werden, dass Kortison kein gefährliches Medikament ist, sondern gerade als örtlich wirkendes Medikament den Patienten vor irreversiblen Schädigungen schützt und keinesfalls schädigt. Zur kurzfristigen Einnahme kann Kortison auch in Tablettenform eingesetzt werden, allerdings müssen bei dieser Form der Anwendung die Einnahmedauer beschränkt werden, um Nebenwirkungen zu vermeiden. Für Patienten mit chronischen Nasennebenhöhlenbeschwerden gilt jedoch, dass es besser sein kann sich operieren zu lassen, als zu lange an einer chronischen Sinusitis „herum zu doktern“. Moderne Operationsverfahren sind heute so gezielt einzusetzen, dass das OP-Risiko als sehr gering einzuschätzen ist.

Operative Behandlung

Um bei chronischen oder kurzfristig immerwiederkehrenden akuten NNH-Entzündungen eine langfristige Besserung zu erzielen, ist oft ein operativer Eingriff erforderlich. Auf endoskopischem Weg ist es möglich, über die Nasenhöhle, ohne sichtbaren Schnitt von außen, die zuvor als erkrankt identifizierten Areale selektiv zu entfernen und die Belüftung der Nasennebenhöhlen wieder herzustellen. Dieser Eingriff ist meist wenig belastend und wird in Vollnarkose durchgeführt. Das Ausmaß der Operation ist individuell der Erkrankung des betroffenen Tauchers angepaßt, wobei das Grundprinzip der Operation ist nur als erkrankt identifizierte Schleimhaut und Knochenstrukturen zu entfernen und regenerationsfähige Schleimhaut und selbstverständlich auch gesunde Schleimhaut zu belassen. Die Verbindung der NNH zur Nasenhaupthöhle wird wiederhergestellt. Diese Art der Chirurgie wird auch als minimal invasive Mikrochirurgie bezeichnet.

Die Regeneration der Nachbehandlung nimmt im Normalfall 6 - 12 Wochen in Anspruch. Regelmäßige Kontrollen sowie medikamentöse Nachbehandlungen sind erforderlich; in diesem Zeitraum sollten auch Flugreisen vermieden werden.

Nach 6 - 12 Wochen kann mit einem Wiederausheilen des Operationsgebietes gerechnet werden und nach einer Abschlusskontrolle ist in den meisten Fällen der Taucher wieder tauchtauglich.

Ist eine medikamentöse Behandlung nicht erfolgreich, so führt dieser Eingriff in den meisten Fällen zum Ende der Beschwerden und es gelingt - was für den Taucher von größtem Interesse ist - diesen wieder ins Wasser zurückzuführen. Dies hat unsere langjährige Erfahrung mit Operationen an Tauchern gezeigt.

Ergebnis der Operation. Man nähert sich dem Nasennebenhöhlensystem, und erkennt, dass der Belüftungsweg schon deutlich größer ist. Wenn man in das Nasennebenhöhlensystem weiter hineingeht, erkennt man dass eine große belüftete Zone geschaffen wurde. Diese Taucherin ist wieder komplett tauchtauglich.

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Dieser Artikel wurde zusammen mit  Univ. Prof. Dr. Wolf, Universitäts-HNO-Klinik Graz, Österreich, für die Zeitschrift  UNTERWASSER verfasst.