Druckausgleichsprobleme

 
Tubendilatation

© Dr. med. Christoph Klingmann

Druckausgleichsprobleme sind schon immer das Problem Nummer eins in meiner HNO Tauchersprechstunde gewesen.

Rund 80 % der Probleme beim Tauchen betreffen das HNO-ärztliche Fachgebiet, bei Kindern sind es sogar 85%. In einer Analyse der Fälle meiner spezialisierten Sprechstunde stellte sich jeder vierte Taucher mit Problemen bei der Mittelohrbelüftung vor. Woran liegt dies und was kann man dagegen machen?

Anatomie

Das Mittelohr ist durch das Trommelfell luftdicht nach außen abgeschlossen. Damit der Schall problemlos auf das Innenohr übertragen werden kann, muss es möglichst ohne Verlust durch das Mittelohr übertragen werden. Hierzu dienen die Gehörknöchelchen, die in einem luftgefüllten Raum schwingen. Die Luft kommt über die Ohrtrompete oder auch Eustach’sche Röhre aus dem Nasenrachenraum in das Mittelohr. Die Gaumenmuskulatur setzt an der Ohrtrompete an und öffnet diese bei jedem Schlucken, Gähnen oder auch beim Sprechen. Unter Wasser wird der Druckausgleich meist durch eine aktive Druckerhöhung im Nasenrachenraum ermöglicht, da sich die Ohrtrompete dann öffnet und Luft ins Mittelohr strömen lässt.

Tubendilatation

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Während des Auftauchens dehnt sich die Luft im Mittelohr aus und strömt bei einer gesunden Ohrtrompete passiv aus dem Ohr in den Nasenrachenraum.

Das Mittelohr beim tauchenden Säugetier

Im Gegensatz zu uns landlebenden Säugetieren, haben die tauchenden Säugetiere, wie Delphine, Robben und Wale eine sehr kluge Konstruktion im Ohr. Ein kleines flexibles Blutschwämmchen dehnt sich beim Abtauchen aus und gleicht den Volumenverlust aus, der durch den höheren Umgebungsdruck entsteht. Deshalb müssen unsere tauchenden Freunde aus dem Tierreich keinen Druckausgleich machen. Leider funktioniert dies bei uns nicht in dieser Weise und wir müssen auf die eine oder andere Art für einen Druckausgleich im Mittelohr sorgen. Das funktioniert beim einen Taucher besser und beim anderen Taucher schlechter.

Wer ist betroffen?

Häufig handelt es sich um Tauchanfänger, die Probleme mit dem Druckausgleich haben bzw. Probleme mit dem Handling der gesamten Tauchausrüstung unter Wasser haben und deshalb zu wenig Zeit auf ihr Ohr und den Druckausgleich zu achten. Grundsätzlich ist ein Problem mit dem Druckausgleich nämlich immer ein Missverhältnis zwischen zu schnellem Abtauchen und der momentanen Möglichkeit einen Druckausgleich durchzuführen.

Tubendilatation

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Würde man sich Stunden für den Druckausgleich Zeit lassen, könnte nämlich jeder Mensch abtauchen, da auch durch das Blut und Diffusion von Luft aus dem Blut ins Mittelohr ein Druckausgleich stattfände. Da diese lange Zeit aber den Spaß am Tauchen mächtig verderben würde, möchte man natürlich so schnell wie eben für die aktuelle Abtauchgeschwindigkeit notwendig die Belüftung des Mittelohrs sicherstellen. Am wichtigsten ist dies übrigens für die Apnoetaucher und UW Rugbyspieler, da diese beiden Gruppen naturgemäß am wenigsten Zeit für die Durchführung des Druckausgleichs haben. Es trifft aber auch sehr erfahrene Taucher. Viele der in meiner Tauchersprechstunde behandelten Taucher sind langjährige Taucher, die beispielsweise nach einer Erkältung keinen ordentlichen Druckausgleich mehr durchführen können. Die Erkältung hat sich also chronifiziert. Aber auch Tauchausbilder, die bei einem Notaufstieg dem Paniktaucher nachtauchen mussten, entwickeln manchmal nach so einem Notaufstieg eine chronische Tubenbelüftungsstörung, d.h. die Ohrtrompete funktioniert nicht mehr richtig. Man kann also grundsätzlich sagen, dass jeder Taucher von Problemen mit dem Druckausgleich heimgesucht werden kann.

Was kann man selbst unter Wasser tun?

Wichtigste Regel ist immer erst einmal die Abtauchgeschwindigkeit an die Mittelohrbelüftung anzupassen. Funktioniert die Ohrtrompete nicht so gut, muss man eben langsamer abtauchen.

  • Entscheidend ist die Durchführung des Druckausgleichs bevor man einen Druck auf den Ohren spürt. Ein Druck auf den Ohren ist immer schon ein Zeichen für einen Unterdruck auf dem Ohr, der die Schleimhaut schwellen lässt und im weiteren Verlauf des Tauchgangs zu Problemen führen kann.
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  • Man sollte ausreichend Blei dabei haben, so dass man sich langsam sinken lassen kann und dies auch mit den Füssen voran. Dies gilt natürlich nur für Taucher mit Problemen beim Druckausgleich. Warum? Abtauchen kopfüber führt zu einem erhöhten venösen Druck und damit zu einem anschwellen der Schleimhaut und kann die Mittelohrbelüftung erschweren.
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  • Druckausgleich regelmäßig durchführen: die ersten 4 Meter sollte man alle 30 cm den Druckausgleich durchführen, um die großen Volumenschwankungen im Ohr auf den ersten Metern auszugleichen.
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  • Flachwasser Jo-Jo tauchgänge vermeiden: die ersten Meter sind die gefährlichsten für druckbedingte Schädigungen und die schwierigsten für die Ohrtrompete. Zwar steigt er Druck unter Wasser kontinuierlich und gleichmäßig an, aber die Volumenschwankungen in den luftgefüllten Hohlräumen des Körpers, und dazu gehört auch das Mittelohr, sind in den ersten Metern am größten.

Was kann man ohne den Tauch-Doc tun?

Die Mittelohrbelüftung lässt sich auch unabhängig vom Tauchen trainieren. Die Muskeln, die die Ohrtrompete öffnen lassen sich trainieren wie jeder andere Muskel in unserem Körper auch. Geht man joggen trainiert man unter anderem die Beinmuskulatur, stemmt man Hanteln trainiert man die Armmuskulatur und macht man im Trockenen einen Druckausgleich so trainiert man eben die Ohrtrompetenmuskulatur. Deshalb sollten Taucher mit Druckausgleichsproblemen bis zu 50 mal am Tag einen Druckausgleich durchführen. Dem Trommelfell und dem Mittelohr macht das gar nichts aus. Je öfter man Druckausgleich macht, umso wohler fühlt sich das Ohr. Also ist bei Druckausgleichsproblemen ein Ohrtrompeten-Muskeltraining angesagt. Wir nennen das Tubentraining: Alle 10 Minuten Druckausgleich durchführen, bis der Druckausgleich immer leichter funktioniert.

Tubendilatation

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Um die Schleimhaut, die die Ohrtrompete auskleidet zu pflegen und mögliche chronische Entzündungen zu behandeln ist zusätzlich ein Schleimhaut-Pflegeprogramm angesagt. Dazu sollte man morgens und abends Kochsalz Nasenspülungen durchführen. Dazu kann man eine Nasendusche verwenden (im Sanitätshandel oder in der Apotheke zu kaufen) oder aber ganz altmodisch das kochsalzhaltige Wasser in die flache Hand nehmen und durch die Nase einziehen und durch den Mund ausspucken. Klingt eklig…ist es auch. Hilft aber. Wir empfehlen einen gestrichenen Esslöffel Kochsalz pro Liter Wasser.

Was macht der auf Tauchmedizin spezialisierte HNO-Arzt?

Es gibt viele Ursachen für Druckausgleichsprobleme beim Tauchen. Chronische Nasennebenhöhlenentzündungen, anatomische Besonderheiten, Vernarbungen im Nasenrachen, gut- und sehr selten bösartige Tumoren im Nasenrachen und manchen mehr, dass durch eine endoskopische Untersuchung durch den HNO-Arzt ausgeschlossen werden sollte. Findet sich keine Ursache, die anderweitig behoben werden kann, empfehlen wir die obengenannten Maßnahmen und unterstützen die Behandlung einer möglichen chronischen Entzündung der Schleimhaut durch örtlich wirkende Kortison Nasensprays.

Tubendilatation

© Dr. med. Christoph Klingmann

Diese Maßnahmen sollten für wenigstens 6 Wochen durchgeführt werden und dann im Rahmen eines Probetauchgangs getestet werden, ob die erfolgreich waren. Ist dies nicht der Fall, gibt es seit kurzem eine neue vielversprechende Methode zur Behandlung von Tubenbelüftungsstörungen.

Operative Behandlung von Tubenbelüftungsstörungen

Es gibt eine Vielzahl von operativen Behandlungen, die bei Tubenbelüftungsstörungen angewandt wurden. Tubenendoskopie, Tubenlaserverfahren, Golddraht Einlegen, Tubensprengung und vieles mehr. Keines dieser Verfahren hat sich bisher durchsetzen können. Seit kurzem gibt es ein sehr vielversprechendes Verfahren, dass wir im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung im DIAKO in Bremen getestet haben. Hierzu wurde dem Patienten (diese Methode wird auch bei Nichttauchern angewandt) in Narkose ein Instrument in die Nase eingeführt.

Über dieses Instrument wird ein Katheter in die Ohrtrompete der betroffenen Seite oder auch beider Seiten eingeführt. Der Katheter funktioniert ähnlich einem Katheter den man aus der Herzkranzgefäß-Dilatation kennt, der so genannte „Herzkatheter“. Der Katheter, der speziell für die Ohrtrompete emtwickelt wurde, wird in die Ohrtrompete eingeführt und dort für zwei Minuten auf 10 bar mittels Kochsalzlösung aufgepumpt.

Tubendilatation

© Dr. med. Christoph Klingmann

Dabei dehnt er sich auf ein definiertes Maß von 3,6 mm aus und dehnt die Ohrtrompete auf.

Erfolgsaussichten bei Tauchern

Unsere wissenschaftliche Studie an Tauchern ist noch nicht ausgewertet, allerdings zeigt die vorläufige Analyse einen großen erfolg der Methode bei Tauchern. Ich kann das Verfahren für Taucher, die auf eine konservative Behandlung keine Verbesserung erfahren haben, unbedingt empfehlen.

Die Tubendilatation wird von mir in Vollnarkose durchgeführt und ist eine Behandlung, die von den gesetzlichen und privaten Krankenkassen erstattet wird. Bei Interesse freue ich mich über eine  Kontaktaufnahme. Selbstverständlich funktioniert die Methode auch sehr gut bei Leuten, die beim Fliegen Probleme haben.